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Warum Frauen sich auf der Straße unsicher fühlen

Letzte Woche habe ich mit einem Reporter der BILD telefoniert. Hintergrund: An Silvester hat es nicht nur viel weniger Übergriffe gegeben als ein Jahr zuvor. Es waren auch viel weniger Frauen unterwegs als noch zum Jahreswechsel 2015/2016. Im Interview, von dem ein paar Sätze letzte Woche in der BILD
veröffentlicht wurden, ging es vor allem um die Frage, was passieren muss, damit sich das wieder ändert – damit die Frauen sich nachts wieder sicherer fühlen.

Wenn man einer Psychologin eine solche Frage stellt, möchte man in der Regel wissen, was subjektiv dazu führt, dass sich jemand unsicher fühlt. Welche Vorstellungen und Ängste dazu führen, dass man lieber zuhause bleibt, als den Jahreswechsel wie früher mit vielen tausend Menschen gemeinsam zu feiern. Was also notwendig wäre, um ein Gefühl der Sicherheit wiederherzustellen.

Ich mag gar nicht behaupten, dass sich nicht die ein oder andere mehr fürchtet als das notwendig wäre. Gleichzeitig weiß ich aus vielen Gesprächen, dass es längst nicht erst seit diesem Jahreswechsel so ist, dass weniger Frauen nachts unterwegs sind – besonders alleine. Weil viele schon ganz persönlich unangenehme Erfahrungen gemacht haben. Kurz nach Erscheinen des Artikels und des Zitats in der BILD und auf Focus online schrieb mir Martina:

„Ich stimme Ihnen zu: Auch ich gehöre zu den Frauen, die sich abends und nachts nicht mehr unbegleitet auf die Strasse trauen. Das Fahren in einer U- oder S-Bahn wird langsam angsterregend, es vergeht kein Tag ohne Pöbeleien und Anmachversuche. Selbst meine 27-jährige bisher völlig angstfreie Tochter meidet nachts und abends die Innenstädte oder geht überhaupt nicht mehr weg. Hier werden die Frauenrechte hier peu a peu unterminiert und alle Werte der Aufklärung über Bord geworfen. (…) Wo sind alle Feministinnen und wie kann man (…) eine Million Männer einer archaiischen Kultur völlig undifferenziert ins Land lassen? (…) Ich habe Angst und empfinde Appelle der Politiker, zuversichtlich zu sein und weiter frei zu feiern, als Hohn (…) Natürlich werden Frauen Feste meiden…“

Ich erlebe in Offenburg nach meinen Seminaren, dass sich viele Frauen inzwischen absprechen und gemeinsam zum Parkplatz oder zur Tiefgarage laufen. Und erlebe es selbst immer wieder, dass ich auf dem Heimweg von der Arbeit von jungen Männern angesprochen werde, hin und wieder läuft auch mal einer eine Strecke mit und fragt mich nach Familienstand und Herkunft. Begrabscht wurde ich dabei nie, bei Hinweis auf Ehemann und Kinder bog meine Begleitung sofort wieder ab. Dennoch sind mir solche Situationen sehr unangenehm. Ich möchte nicht ungefragt in Gespräche verwickelt werden.

Die Situation ist so, dass viele Frauen nachts ein anderes Klima und eine andere Atmosphäre erleben. Dass manche die Konsequenz daraus ziehen, Situationen zu meiden, die unangenehm oder bedrohlich werden können. Ich sage: Das ist gefährlich. Denn die Übergriffe, die 2015/16 in Köln stattgefunden haben, aber auch schon vorher oder nachher in kleinerem Ausmaß anderswo, haben zum Ziel, Frauen einzuschüchtern und ihnen die Öffentlichkeit zu erschweren. Ihnen zu sagen, sie seien Schlampen, wenn sie ohne Mann auf die Straße gehen. Es ist wichtig, dass Frauen gerade jetzt weiterhin rausgehen, wenn sie Sorge haben zu zweit oder mit einem guten Pfefferspray in der Tasche oder einem Anrufer am Ohr, wenn die Gegend unsicher scheint. Dass sie bereit sind, sich zu wehren. Und dass sie klar auch öffentlich ihre Meinung sagen: Es ist unverzichtbar, dass Menschen aller Ethnien und Herkunftsländer die Rechte und die Stellung der Frauen hier bei uns kennen und respektieren. Wo Frauenrechte verletzt werden, und das werden sie derzeit bereits massiv, folgen kurz danach auch die sonstigen Menschenrechte. Und: Frauenrechte dürfen nicht kulturellen Befindlichkeiten oder religiösen Ansichten hintenan gestellt werden.

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