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Das Gebot der Stunde: Toleranz

Das Gebot der Stunde: Toleranz

Diese Woche ist fast unbemerkt eine Tür aufgegangen, die in einen Raum führt, der unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird. Einige sind aufgebracht und finden es ungerecht: Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen, sollen die Kosten für eine angeordnete Quarantäne selbst tragen – wie auch bald die Kosten für einen Test. Die Diskussionen darüber gehen aber oft in die falsche Richtung: Warum ist die Impfung kostenlos, aber nicht der Test? Das ist nicht neu. Schon bisher wurden medizinische Maßnahmen, die offiziell empfohlen wurden, von der Solidargemeinschaft übernommen, andere nicht. Das kann man richtig finden oder falsch, man kann kritisieren, dass diese Empfehlungen nicht immer objektiv und auch nicht immer wissenschaftlich sind. Aber was gerade passiert, macht eine ganz andere Tür auf, die, zumindest seit ich am Leben bin, immer geschlossen war, aus vielen guten Gründen: Die Frage nach der persönlichen Verantwortung wird verknüpft damit, wie jemand behandelt wird, worauf er Anspruch hat und worauf nicht.

Führen wir den Gedanken weiter: Die Idee, die dazu geführt hat, dass Menschen, die nach einer Reise die Kosten für ihre Quarantäne selbst tragen müssen, basiert auf folgender Argumentation: Jeder hat das Recht sich impfen zu lassen. Wer darauf verzichtet und dann Kosten verursacht, zum Beispiel durch Arbeitsausfall, muss auch selbst dafür gerade stehen. Wenn sich mein Nachbar nicht impfen lässt und darum seinen Laden nicht aufschließen darf, will ich nicht dafür gerade stehen.

Viele Menschen nicken bei dieser Argumentation. Sie hat ja auch eine Logik. Aber sie widerspricht einem grundlegenden Prinzip, nach dem wir die letzten Jahrzehnte zusammengelebt haben: Wir helfen einander, und wir fragen nicht, wer schuld ist an einem Unglück. Denn wenn die Logik für die aktuelle Regelung einmal akzeptiert ist, lässt sie sich auf ganz viel anwenden. Ein Paradigmenwechsel passiert, also ein grundlegender Wechsel in den Regeln des Zusammenlebens, und immer ist der erste Schritt der Beginn eines Dammbruchs. Ein Dammbruch, der in der Lage ist, unsere Gesellschaft komplett auf den Kopf zu stellen und nachhaltig zu verändern.

Spinnen wir den Gedanken weiter. Einer, der eine Impfung nicht will, muss deshalb auch selbst für die Kosten seiner Quarantäne aufkommen. Er könnte sich ja impfen lassen. Schon werden erste Stimmen laut die fordern: Ein Ungeimpfter soll auch kein Krankenhausbett kriegen, wenn er an Covid erkrankt. Er ist ja selbst schuld an seinem Zustand. Auch das ergibt Sinn, nach der neuen Logik. Gehen wir weiter. Der Lungenkrebskranke, der sich seinen Krebs durch intensives Rauchen erarbeitet hat: Soll der auf Kosten der Allgemeinheit behandelt werden? Er wusste ja, dass Rauchen ungesund ist, seine Behandlung kostet Hunderttausende. Warum soll ich dafür geradestehen? Er hätte sich Nicorette kaufen können, zur Hypnose gehen oder das Rauchen einfach so lassen können. Und wie ist es bei der Nachbarin, die zur Dialyse muss, weil ihr Diabetes ihre Nieren zerstört hat? Sie ist seit Jahren übergewichtig, ernährt sich immer noch schlecht, sie hätte 20 Jahren lang Zeit gehabt, das Rad zurückzudrehen. Muss ich ihr wirklich helfen? Schließlich habe ich mich immer gesund ernährt. Und das Intensivbett, das der ungeimpfte an Covid Erkrankte frei machen soll für das Opfer eines Verkehrsunfalls: Hat der Verunfallte wirklich ein Anrecht darauf, obwohl er total übermüdet gefahren ist? Oder gar viel zu schnell? Und jener, der beim Klettern verunglückt ist und jetzt monatelang in der Reha behandelt wird: Hätte der seinen Unfall nicht verhindert, wenn er statt Klettern eine ungefährliche Sportart gewählt hätte? Und der Drogenabhängige, der Leistungen in Anspruch nimmt, nicht arbeiten kann, aber auch nicht bereit ist, einen weiteren Entzug zu machen? Sollen wir dem noch helfen, oder ist jetzt nicht erst einmal er selbst dran? Es gibt viele Argumenten die suggerieren, auch ihm die Hilfe zu streichen. Vorausgesetzt, wir wollen uns auf die neue Logik einlassen. Ich will das nicht.

Die aktuelle Regelung öffnet einer Entwicklung Tür und Tor, die nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch die Solidarität zwischen den Menschen komplett verändern und zerstören kann. Wir brauchen keine neuen moralischen Hierarchien, sondern ganz im Gegenteil gerade jetzt Toleranz und gegenseitige Unterstützung – auch wenn wir unseren Nächsten nicht immer verstehen und vielleicht ganz anderer Meinung sind als er. Das ist das Gebot der Stunde.

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4 Kommentare zu „Das Gebot der Stunde: Toleranz“

  1. Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Sie sprechen mir aus der Seele. Was im Moment alles abläuft, überschreitet ganz weit die Grenzen der Menschlichkeit, Vernunft und Ethik. Und dann spricht man über Solidarität. Was mein Hauptthema im Moment ist, wie die Schulleiter und Kinderärzte mit der Thematik Impfung umgehen. Ich komme aus der Schockstarre nicht mehr raus!

  2. ???? Vielen Dank, liebe Anke für diesen Artikel – mit jedem Wort sprichst du mir aus dem Herzen – dem ist derzeit nichts hinzuzufügen – ich frage mich nur wie wir diese furchtbare Absurditäten die da gerade passieren auf Dauer verhindern wollen?

  3. Dipl.-Ing. M.Jope

    Sehr ggehrte Frau Ankeprecht,

    wir können die Entwicklung nicht mehr verhindern, wir müssen weg, wieder flüchten, die Gegend, da Land verlassen, so schnell wie es uns möglich ist.
    mfg
    Manfred Jope
    Anerkannter Flüchling und ehm. pol. Häftling der DDR

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