Streit um Geld – hast du das schon einmal erlebt? Ganz besonders erbittert tobt so ein Streit häufig, wenn es um ein Erbe geht. Selbst Geschwister, die sich bisher immer gut verstanden haben, können sich daran für viele Jahre entzweien. Und auch bei Trennungen prozessieren ehemalige Partner manchmal jahrelang wegen einer Summe, die von den Anwaltskosten schon lange überholt wurde. Wie kommt das? Weshalb sind Menschen bereit, so erbarmungslos zu kämpfen, wenn es ums Geld geht?
Klar ist: Der Grund des Streits ist es in der Regel nicht wert, so erbittert und lange und kraftraubend zu kämpfen. Denn alle Beteiligten lassen in der Regel Federn. Alle verlieren, keiner gewinnt wirklich. So sieht das aus, wenn man solche Situationen bei klarem Verstand von außen betrachtet. Genau dieser klare Verstand scheint in den strittigen Fällen mindestens einem Streitpartner abhanden gekommen zu sein.
Es gilt die traurige Regel: Für eine Einigung braucht es zwei. Für einen Krieg reicht einer.
Wenn verbissen um Geld gestritten wird, gerade in Familienangelegenheiten, geht es in der Regel um etwas anderes. Es geht um Emotionen und Bedürfnisse. Dabei handelt es sich meistens gar nicht um aktuelle Bedürfnisse, die man erfüllen könnte, so dass danach alles gut ist. Es geht meistens um alte Bedürfnisse und ganz alte Verletzungen.
Konkret: Kaum ein Erbe kann wirklich prozentual ganz gleich zwischen allen Erben aufgeteilt werden. Das ist faktisch fast unmöglich. Aber vielen Erben macht das nichts aus, sie freuen sich über das, was sie bekommen haben und machen sich keinen Kopf darüber, dass der Bauplatz des anderen Geschwisters ein paar Quadratmeter größer ist. Andere wiederum leiden genau daran sehr. Und der Bruder, der den größeren Bauplatz bekommen hat, fühlt sich ebenfalls benachteiligt, weil sein Bauplatz an einer Stelle sumpfig ist und außerdem auch schräger. Nun sind beide sauer und beginnen, vom anderen zu fordern, um die gewünschte Gerechtigkeit wieder herzustellen. Die Schwester soll den Schmuck herausrücken, die sie außerdem bekommen hat. Der Bruder hat den Traktor übernommen, der ist antik und viel mehr wert als der Schmuck. Jahrelanger Krieg ist vorprogrammiert, und oft können auch die besten Vermittler die Streithähne nicht von der Sinnlosigkeit ihrer Forderungen überzeugen.
Denn in der Tiefe geht es weder um einen Traktor noch um ein paar Quadratmeter Bauplatz. Die Schwester ist überzeugt, der Bruder sei schon immer bevorzugt worden. Als kleines Mädchen hat sie das so erlebt und sehr daran gelitten. Der Bruder ist überzeugt, die Schwester hätte schon immer mehr gedurft als er, als der Große musste er sich alle Freiheiten erkämpfen, während sie das dann einfach durfte, ohne Kampf und ohne Mühe. Außerdem hätte der Vater sie mehr geliebt. Zu ihm war er immer streng, er hat ihn zwar in seiner Ausbildung unterstützt, aber immer mehr von ihm gefordert als von seiner Schwester.
Solange die Eltern noch leben, wenden sich die alten Schmerzen und Erwartungen der erwachsenen Kinder noch an die Adresse der Eltern. Ihnen begegnet man mit diesen Gefühlen, was auch immer wieder einmal zu Konflikten wegen Kleinigkeiten führen kann, zum Beispiel an Weihnachten. Bekommt da einer das schlechtere Stück vom Braten, kann ihm das das Fest komplett verderben.
Sind die Eltern gestorben, liegt die letzte Chance, das gefühlte Unrecht noch gut zu machen, in der Verteilung des Erbes. Wer die Überzeugung hat, schon immer benachteiligt worden zu sein, möchte nun wenigstens beim Erben besser wegkommen – er sucht nach einem Ausgleich in der (vergeblichen) Hoffnung, dadurch seinen inneren Frieden mit den Eltern machen zu können. Und hat er den Eindruck, „wieder einmal“ schlechter weggekommen zu sein (und dieser Eindruck ist subjektiv ganz schnell da, ganz egal, wie viel Mühe sich die Eltern beim Aufteilen des Erbes gemacht haben), so versucht er nun, mit aller Macht das zu bekommen, was ihm gefühlt zusteht. Da steht nun aber der andere Erbe dazwischen, der es bekommen hat. Gegen den richtet sich nun ein Stellvertreterkrieg.
Je mehr Erben also innerlich noch keinen Frieden mit ihrer Geschichte gemacht haben, umso höher ist die Gefahr für einen schrecklichen Streit nach dem Tod der Eltern. Das Gleiche gilt für Vermögensaufteilungen nach Trennungen: Wenn ein Partner überzeugt ist, der andere schulde ihm noch etwas (weil er zum Beispiel seinen Beruf für die Familie aufgegeben hat, während der andere Karriere gemacht hat), umso erbitterter der Streit ums Geld.
Wie kann man das vermeiden? Persönlich ist es wichtig, bei Lebzeiten der Eltern zu schauen, ob man etwas klären kann. Selbst hartherzige Eltern schauen auf dem Sterbebett oft freundlich auf Kinder, denen sie früher wenig Herzlichkeit entgegen bringen könnten. Versöhnung ist oft möglich, wenn man sich den Eltern vor ihrem Tod nähert. Wer ihnen fern bleibt, vielleicht aus Verbitterung, verpasst eine wichtige Chance. In Partnerschaften gilt es, nur solche Kompromisse zu schließen, mit denen man auch im Fall einer Trennung weiterhin gut leben könnte, anstatt sich auf den anderen zu verlassen, wenn man sich selbst die Existenz abschneidet. Das betrifft vor allem die Frauen.