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Bitte erzieht eure Kinder

Kürzlich sprach ich in der Fußgängerzone mit einer Mutter. Wir kannten uns von früher, sie hatte ein Baby dabei und einen fröhlichen Jungen. Sichtbar beulte sich seine Hose, wo er die Windel trug. Ich war überrascht. Ist er nicht schon vier? Ja, und? Er trägt noch eine Windel?

Erstaunt blickte sie mich an. Sie schien nicht zu verstehen, was mich daran wunderte. Naja, meinte ich: Reicht dir ein Wickelkind nicht? Ich meine, er ist doch schon groß genug, um auf die Toilette zu gehen.

Nun schaute sie verwundert. Er wolle aber noch nicht, meinte sie. Sie hätte nichts dagegen, wenn er auf die Toilette ginge und hätte es ihm auch schon mehrfach vorgeschlagen. Aber er sei auf die Vorschläge noch nicht eingegangen, er sei noch nicht bereit.

Da musste ich an einige Kinder denken, die ich in den letzten Jahren in meiner Praxis gesehen habe. Ein Neunjähriger, der eine Windel getragen hat, bis er fünf war und bis er von den anderen Kindern in der Kita deswegen ausgelacht wurde. Da hat er sie ausgezogen. Aber nachts zuhause trug er immer noch eine. Nun suchten die Eltern nach psychologischer Hilfe, damit er nicht mehr ins Bett mache, wenn sie ihn „ohne“ hineinlegten. An einen anderen Jungen, der im Alter von 10 stur sein großes Geschäft in die Hose machte, wenn die Eltern nicht rechtzeitig merkten, dass es sich anbahnte und ihn mit sanfter Gewalt auf die Toilette bugsierten. Und an viele ähnliche Bespiele.Ich habe diese Beispiele meiner Bekannten nicht erzählt, sie aber ermuntert, dem Knaben die Windel wegzunehmen und selbst zu entscheiden, dass er die Toilette benutzen solle, mit den dazugehörigen Pannen und Korrekturen in den folgenden Wochen. Ich glaube nicht, dass sie es tun wird.

Woher kommt dieser Glaube, Kinder würden alles irgendwann von selbst und aus eigenem Antrieb lernen? Ich bin bei weitem nicht dafür, Kinder an einem bestimmten Stichtag zwangsweise aufs Töpfchen zu setzen. Mir ist bewusst, dass nicht alle Kinder in allem gleich schnell sind. Aber, und das ist sicher, irgendwann zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag kommt ein Moment, in dem sie sich ein wenig steuern können. Eine Mutter erzählte mir zum Beispiel, dass sich ihr Zweijähriger sich beim Wickeln einen großen Spaß mache, indem er sie immer dann, wenn sie ihm gerade die Windel ausgezogen habe, anpinkeln wolle. Wunderbar, sagte ich, dann kann er sich schon ein bisschen steuern. Zeit, auf die Windel zu verzichten. Es hat geklappt. Aber: Von selbst wäre er nicht drauf gekommen. Und hätte sie ihn um seine Erlaubnis gefragt, hätte er das Spiel auf dem Wickeltisch sicher weitergespielt. Es hat ja so viel Spaß gemacht…

Also: Nicht nur in diesem Bereich, sondern in vielen, entwickeln Kinder Verhaltensstörungen, wenn wir bestimmte Lernphasen verpassen. Das gilt fürs Sauberwerden, es gilt für Tischsitten, es gilt für das Schreiben, es gilt für das Singen, es gilt auch für bestimmte Bewegungsfähigkeiten. Wer einem Kind nicht erlaubt, auf Mauern und Bäume zu klettern oder in der Turnhalle auf Sprossenwände und Kästen, der nimmt ihm Möglichkeiten. Diese Entwicklungsmöglichkeiten müssen wir Eltern den Kindern geben, aktiv, und manchmal auch gegen ihren Widerstand, anstatt darauf zu warten, dass unsere Kinder sie einfordern. Dann fahren nämlich bestimmte Züge ohne sie ab, und das Verpasste lässt sich später nicht vollständig aufholen.

Habt Mut, eure Kinder zu erziehen. Bitte. Auch wenn wir Psychologen dann viel weniger Arbeit haben.

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